Eine Katze ist ein Lebewesen- auch eine behinderte Katze
Ataxie bei Katzen -Lebensfreude trotz Handicap
Katzen sind für ihre geschmeidigen und flüssigen Bewegungen bekannt. Doch es gibt verschiedene Auslöser, die den Bewegungsablauf einer Katze durcheinander bringen können, manchmal vorübergehend und manchmal permanent. Diese Störungen werden meist unter dem Begriff Ataxie (griechisch „ataxia“ = Unordnung, ohne Ordnung) zusammengefasst. Für den Menschen sehen diese Bewegungsabläufe dann erstmal erschreckend und mitleiderregend aus, denn je nach Stärke der Ausprägung purzeln Ataxie-Katzen sehr abenteuerlich durch die Gegend. Früher wurden die „Wackelkatzen“ oft direkt eingeschläfert, weil man der Meinung war, dass diese Tiere kein zufriedenes Leben haben können. Mit den Jahren entwickelte sich aber zunehmend Verständnis für diese Art der Behinderung und mehr und mehr Ataxie-Katzen konnten so die Herzen ihrer Besitzer im Wackel-Sturm erobern. Noch immer fehlt aber vielerorts Kenntnis über diese besonderen Tiere und so kommt es leider auch heute noch dazu, dass diesen bezaubernden Wesen die Chance auf ein Katzenleben genommen wird. Und das, obwohl sie einen unglaublichen Lebenswillen und Lebensfreude mitbringen.
Ataxie- keine Krankheit, sondern eine Behinderung
Von „Feliner Ataxie“ spricht man in der Regel bei neurologischen Auslösern. Das bedeutet, dass das Gehirn verschiedene Muskelgruppen nicht mehr richtig steuern kann und den Tieren daher zielgerichtete Bewegungen schwerfallen. Auch der Gleichgewichtssinn kann betroffen sein, so dass die Tiere nur schwankend stehen können oder beim Fortbewegen öfter umfallen. Ursachen können Krankheiten der Mutterkatze oder der Kitten selbst sein, aber auch Unfälle oder Verletzungen, die Teile des Nervensystems geschädigt haben. Dabei gibt es viele verschiedene Ausprägungen der Bewegungseinschränkungen. Typische Formen sind Zittern des Kopfes, staksiger Gang (teilweise nur Vorder-oder Hinterbeine betroffen), schwankender Gang, ausufernde Bewegungen der Pfoten und Wegkippen des Hinterteils.
Im Internet informieren verschiedene Seiten über die Ursachen und Diagnostik von Ataxie, mit dem Tierarzt sollte individuell abgesprochen werden, was diagnostiziert werden muss. Besonders wichtig ist es, andere Faktoren oder Krankheiten auszuschließen und sicherzustellen, dass das Tier keine Schmerzen hat. Heilbar ist eine Ataxie nicht, aber Katze und Mensch können lernen, damit umzugehen. Eine Ataxie ist keine Krankheit, sie ist vielmehr eine Besonderheit im Bewegungsablauf der Tiere, eine Behinderung. Und ähnlich wie die Tiere, die das Augenlicht oder ein Bein verlieren, lernen sie schnell, damit umzugehen.
Ein Katzenleben mit Ataxie
Katzen mit Ataxie haben in der Regel keine Schmerzen. Sie brauchen keine Medikamente und auch kein Mitleid, sondern Zuneigung, gutes Futter, Bewegung und manchmal ein paar „Hilfsmittel“ im Zuhause: Teppiche bieten den Wackelkatzen mehr Halt beim Laufen, erhöhte Futternäpfe können das Fressen Erleichtern, bei ganz schweren Fällen kann ein Rollwagen die Mobilität unterstützen. Je nach Stärke der Ataxie kann auch eine Unterstützung durch Physiotherapie helfen, die Bewegungen sicherer zu machen. Die Maßnahmen sollten immer individuell an die Bedürfnisse des Tieres angepasst werden, manchmal braucht es auch gar keine.
Ansonsten lernen sich diese Tiere meist sehr gut selbst einschätzen und „fördern sich selbst“ durch ihre Neugier und Entdeckerfreude. Kratzbäume und Treppen können in schweren Fällen Hindernisse sein, hier sollte auf ausreichend Schutz vor Verletzungen geachtet werden. Ein gesicherter Balkon oder sogar Garten wird von den Wackelkatzen sehr gern genutzt, denn die Sonnenstrahlen und die Luft sind mit einer Behinderung genauso schön wie ohne. Unbegrenzter Freigang ist für Ataxie- Katzen allerdings nicht empfehlenswert. Besonders in Stresssituationen verschlimmern sich die Symptome oft und daher wären sie bei Bedrohungen (Revierauseinandersetzungen mit anderen Katzen, Autos, Wildtiere) sehr gefährdet, weil sie schlicht nicht schnell genug sind.
Auch das Wetter kann bei manchen zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der Ataxie führen, ebenso Impfungen oder Tierarztbesuche. Im Allgemeinen werden die Bewegungsabläufe aber mit zunehmendem Alter sicherer, manchmal gibt es sogar deutliche Verbesserungen. Für die „Wackelkatzen“ ist ihre Art der Fortbewegung „normal“ und sie sind fest entschlossen, das beste draus zu machen. Getreu dem Motto: „Hinfallen- wieder aufstehen- Krönchen richten- weitermachen“ sind sie mit unglaublich viel Lebensfreude in der Welt unterwegs und machen fast alles, was „normale“ Katzen auch tun- nur eben etwas anders.
Meine Erfahrungen mit den Wackelkatzen
Ich habe im Sommer 2019 mein erstes „Ataxie-Kätzchen“ aufgenommen. Das kleine Fellbündel wurde schreiend neben seinem toten Geschwisterchen in einer Scheune gefunden. Bei ihr hatte sich aufgrund von Taubheit der Gleichgewichtssinn nicht richtig ausgebildet und das winzige Wesen purzelte durch die Gegend, dass ich anfangs überlegte, ihr einen Helm zu basteln, damit sie sich keine Kopfverletzungen zuzieht. Gleichzeitig hatte der Winzling einen enormen Spiel- und Futtertrieb und wollte unbedingt da sein. Mein Tierarzt war zunächst skeptisch, guckte die Kleine an und fragte mich, ob ich sicher sei, sie retten zu wollen. Ja, ich wollte es versuchen.
Ich begann mich zu informieren, päppelte das Kitten und legte mein Bad mit dickem Teppich aus. Nach und nach begann die kleine Anouk, ihr Köpfchen besser zu halten und sie konnte mehrere Schritte gehen, ohne sich zu überschlagen. Von Woche zu Woche wurde Anouk größer, sicherer und mutiger. Heute kann sie ihr Köpfchen prima halten, nur ein leichter Kopftremor ist geblieben. Auch die Koordination der Pfoten hat sie hervorragend gemeistert, sie kann sogar ziemlich problemfrei klettern und an guten Tagen merkt man ihr ihre Ataxie kaum noch an. Diese enormen Verbesserungen sind zwar nicht die Regel, aber dennoch möglich. Wie schade wäre es gewesen, dieses Energiebündel einzuschläfern...
Durch die Erfahrung mit Anouk habe ich einen enormen Respekt vor diesen Tieren entwickelt und wollte mehr von den Wackelkatzen ein Katzenleben ermöglichen. Ich war durch meine Informationssuche im Internet auf verschiedene Tierschutzvereine im Ausland gestoßen, die immer wieder händeringend Adoptionsplätze für Katzen mit Handicaps suchten, darunter auch Katzen mit Ataxie. Dort haben Katzen mit Behinderungen leider noch schlechtere Vermittlungschancen als hier in Deutschland. Und wenn es schon zu viele „gesunde“ Kätzchen gibt, wohin dann mit den „behinderten“?
So habe ich begonnen, Katzen mit unterschiedlichen Ausprägungen von Ataxie zu adoptieren und mein Erfahrungsschatz mit diesen faszinierenden Wesen wächst täglich. Ich bin beeindruckt vom Lebenswillen und der Lebensfreude dieser Tiere und staune immer wieder, wie selbstverständlich sie mit ihren Einschränkungen umgehen.
Einige der Wackelkätzchen können bei mir über eine Klappe in den Garten, einige sind nur in der Wohnung unterwegs. Alle sind sehr sozial, genießen Schmusen und Spielen und freuen sich des Lebens.
Ich kann die Adoption von diesen Tieren nur empfehlen.
Gerade wenn die Wohnsituation einen Freigang nicht möglich macht, könnte eine Katze mit Ataxie ein idealer Mitbewohner sein.
Aber auch wenn Sie keine Katze adoptieren wollen, bitte schauen Sie nicht weg, wenn Sie ein „Wackeltier“ sehen oder von einem hören. Diese Tiere muss man nicht „dringend erlösen“, sie können ein sehr erfülltes Katzenleben haben.
Bei Fragen können Sie mich gerne per Mail kontaktieren: Katharina.Gimmi@gmx.de
(Autorin: Katharina Gimmi)